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„Komme heute Nachmittag zum Kaffee“, „Geburtstagsfeier heute Abend bei uns“, „Muss den Termin heute Abend leider absagen“ – wie konnten solche Nachrichten im Jahr 1900 verschickt werden und das auch noch so, dass sie rechtzeitig ankamen und nicht tagelang unterwegs waren? Ohne moderne Postwege und vor allem ohne moderne Kommunikationsmittel wie Telefon, Handy oder gar Internet?
Schon damals tüftelten Ingenieure & Co. an Systemen, die es ermöglichen sollten, kurze Nachrichten oder kleine Waren zu versenden und das so schnell wie möglich. Und so entstand Mitte des 19. Jahrhunderts die Rohrpost. Sie führte dazu, dass Kurznachrichten per Luftdruck in rasanter Geschwindigkeit von A nach B transportiert werden konnten. Zum 150-jährigen Rohrpostjubiläum möchten wir nun einen Einblick in die spannende Technologie und ihre Entstehungsgeschichte geben.
Die Entstehung des Rohrpostsystems
Am 18.11.1865 ging das erste System dieser Art in Betrieb, es verband das Berliner Haupttelegrafenamt mit der Berliner Börse. So konnten Telegramme aus aller Welt schnellstmöglich weitergeleitet werden und die Bankiers erhielten stets die neuesten Meldungen. Vor 150 Jahren, also im Jahr 1868, lagen dann in Berlin bereits auf 18 km Rohre. Ab diesem Zeitpunkt wurde das Postsystem nicht mehr nur für die Börse genutzt. Am 01.09.1876 begann dann endlich der öffentliche Rohrpostbetrieb. Mittlerweile umfasste das System rund 25,9 km und bestand aus einem Haupttelegrafenamt sowie 14 Postämtern und die Postsendungen konnten nun im Stundentakt befördert werden. Von der Geschwindigkeit her war die Rohrpostanlage zu damaliger Zeit unschlagbar!
150 Jahre Rohrpost – spannende Fakten
Ablauf: Zwischen den einzelnen Rohrpoststationen gab es Postämter, an denen man seine Briefe und Postkarten entweder direkt in spezielle Schlitze steckte oder aber am Schalter aufgab. Von 7 Uhr bis 21 Uhr gingen dann alle 15 Minuten die Büchsen weg. Tatsächlich war ein komplizierter Fahrplan nötig, denn es gab immer nur ein Rohr für den Hin- und Rückweg.
Versendete Nachrichten: Im Jahr der Rohrposteröffnung für die Öffentlichkeit, also 1876, wurden sagenhafte 1.324.899 Sendungen in Berlin verschickt, bis 1883 hat sich diese Menge sogar noch verdoppelt.
Normgröße: Damit die Briefe, Postkarten & Co. auch in die Büchsen passten, gab es eine bestimmte Normgröße, die eingehalten werden musste: Die Sendungen durften die Maße von 10,5 x 14,8 cm nicht überschreiten, es durfte nur dünnes rosa Papier verwendet werden und das Gewicht durfte maximal 20 Gramm betragen.
Kosten: Die Preise um 1900 lagen für eine Postkarte bei 25 Pfennig und für einen Brief bei 30 Pfennig.
Größe des Netzes: 1900 gab es bereits 121 km mit etwa 48 Postämtern und 7 Millionen Sendungen pro Jahr, 1919 waren es dann 167 km mit etwa 26 Millionen Sendungen.
Der Briefträger: wichtiger Überbringer
Wenn Brief und Postkarte durch die Rohre geflitzt waren, übernahmen die Briefträger die Zustellung der Nachricht an den Adressaten. Die Rohrpost galt damals als Eilsendung, die Berliner Post garantierte eine Zustellung der Sendungen innerhalb von zwei Stunden!
Ganze elfmal am Tag wurden die Briefe gestempelt, um den exakten Nachweis des schnellen Austragens zu geben. Die Briefträger mussten somit auch ganze elfmal auf Tour gehen, dies geschah zwischen 07:15 Uhr und 20:00 Uhr. Sonntags waren sie fünfmal unterwegs.
Im Jahr 1884 gab es für die erste Runde 900 Briefträger, die wiederum 800 Straßen mit 18.310 Häusern und 1,2 Millionen Einwohnern belieferten. Für die anderen Runden wurden dann nur noch etwa 500 – 600 Austräger benötigt.
Das Rohrpostsystem im 21. Jahrhundert
Die Postkarte war somit eines der ersten echten Massenkommunikationsmittel, also das WhatsApp des 19. Jahrhunderts. Die Hauptzeit des Rohrpostsystems ging dann in den 1920er Jahren langsam zurück, unter anderem wurde es durch das Direktwähltelefon abgelöst. Im Zweiten Weltkrieg wurden außerdem viele Postämter zerstört, dennoch wurden nach dem Krieg einzelne Strecken wiederaufgebaut und genutzt, sowohl in Ost- als auch in West-Berlin.
Heute ist die Rohrpost zwar nicht mehr zum schnellen Versenden von Kurznachrichten notwendig, in großen Kliniken ist sie jedoch nach wie vor im Einsatz und dort auch nicht wegzudenken.
Bildquelle: Wir danken der Museumsstiftung Post und Telekommunikation für die Bereitstellung der Bilder.